Was ist Harninkontinenz?
Die Harninkontinenz ist ein weit verbreitetes Symptom: Der Urin tritt ungewollt aus der Harnblase aus.
Besondere Bedeutung für die Betroffenen haben die sozialen Folgen der Harninkontinenz: Häufig ergeben sich daraus soziale Isolation und massive Einschränkungen der Mobilität.
Die Harninkontinenz ist ein verbreitetes Leiden, das Männer und Frauen aller Altersstufen gleichsam betrifft. Durch die zunehmende Lebenserwartung kommt dieser Erkrankung immer größere medizinische und gesellschaftliche Bedeutung zu. In Deutschland leiden etwa 6 Millionen Menschen an einer Harninkontinenz.
Die Harninkontinenz ist in den meisten Fällen heilbar bzw. deutlich zu verbessern. Wichtig ist jedoch eine Untersuchung durch den Urologen mit anschließender Behandlung.
Häufige Fragen
Es gibt verschiedene Ursachen für eine Inkontinenz. Eine genaue Diagnose ist wichtig, damit die anschließende Therapie optimal auf den Patienten abgestimmt werden kann.
Die Belastungsinkontinenz (früher Stressinkontinenz)
Bei der Belastungsinkontinenz kommt es zu einem Urinverlust bei plötzlichen Veränderungen des im Bauchraum herrschenden Druckes, zum Beispiel durch Husten oder Niesen. Auch Lageveränderungen wie Aufstehen aus dem Sitzen können zum Verlieren des Urins führen.
Die Belastungsinkontinenz ist die häufigste Inkontinenzform bei Frauen mittleren Alters. Die Ursachen sind häufig Schließmuskelbeschädigungen durch Geburten oder ein mit Beginn der Wechseljahre auftretender Hormonmangel (Östrogenmangel).
Die Dranginkontinenz - Urgeinkontinenz
Bei der Dranginkontinenz kommt es zu einem sehr starken Harndrang, der nur sehr schwer zu unterdrücken ist. Meistens schafft es der Patient nicht, noch rechtzeitig eine Toilette aufzusuchen, bevor er Urin verliert.
Dranginkontinenz ist häufig ein Symptom einer anderen zugrunde liegenden Erkrankung, welche z. B. eine Entzündung der Blase sein kann. Identifiziert man den Erreger und behandelt mit dem passenden Antibiotikum, verschwinden die Beschwerden schnell. Gewebsveränderungen oder aber Steine in der Blase können auch Ursache für eine Dranginkontinenz sein. Auch neurologische Erkrankungen können zu einer Dranginkontinenz der Blase führen.
Bei einer Reizblase kommt es zu ständigem Harndranggefühl, das die Patienten veranlasst, eine Toilette aufzusuchen, obwohl keine große Menge Urin in der Blase ist. Zu einem echten Urinverlust kommt es bei dieser Form meist nicht. Hierbei kann es sich um eine neurologische Erkrankung, die als sensorische Urgeinkontinenz (Dranginkontinenz) bezeichnet wird, handeln.
Reflexinkontinenz
Dieser Form der Harninkontinenz liegt eine Störung der Nerven zugrunde, welche normalerweise ein regelrechtes Wasserlassen zur Folge hat. Je nach Ort der Schädigung - Gehirn, Rückenmark oder Nerven - tritt durch eine spontan und unbewusst erhöhte Tätigkeit der Harnblasenmuskulatur die typische Entleerungsstörung auf. Es liegt hoher Druck in der Harnblase vor. Durch diese teilweise oder komplette Fehlsteuerung von Harnblase und Schließmuskel kommt es zu einem unverhofften Harnverlust, den eine betroffene Person nicht kontrollieren kann.
Restharn bleibt in der Blase, der sich mit Keimen infizieren kann. Der Arzt erkennt dies durch seine Untersuchungen und behandelt den Betroffenen entsprechend. Krankheiten wie Multiple Sklerose, Querschnittslähmung oder auch Schüttelkrankheit (Morbus Parkinson) sind neben anderem Beispiele für solche Nervenkrankheiten.
Die Überlaufinkontinenz
Diese Form der Harninkontinenz betrifft meistens männliche Personen. Häufig ist der Grund für eine Überlaufblase ein Abflusshindernis im Bereich des Harnblasenausgangs wie z.B. eine vergrößerte Prostata. Der Blasenmuskel wird durch das unbemerkte Wachstum der Vorsteherdrüse überdehnt und es kommt zum "Überlaufen" der Harnblase und zum unwillkürlichen Verlust kleinster Urinmengen.
Jeder neue Tropfen, den die Niere über die Harnleiter in die Harnblase entlässt, führt weiter zum "Überlaufen", was der Betroffenen als ständiges "Tröpfeln" beschreibt.
Nicht in allen Fällen kann das Auftreten einer Harninkontinenz vermieden werden. Jedoch können insbesondere Frauen rechtzeitig entsprechende Maßnahmen wie Gewichtsreduktion bei Übergewicht oder Beckenbodengymnastik nach Geburten ergreifen, um der Harninkontinenz vorzubeugen.
Durch eine Gewichtsreduktion wird insgesamt der Druck auf den Beckenboden verringert. Liegt eine beginnende Beckenbodenschwäche vor mit nur gelegentlich auftretender Harninkontinenz, sollten schwere körperliche Arbeiten vermieden werden.
Vorbeugende Untersuchungen beim Mann wie bei der Frau sind zu empfehlen.
An erster Stelle steht das Gespräch mit dem Arzt. Der Betroffene schildert die Symptome, wobei der unfreiwillige Harnabgang typisch ist. Durch weitere gezielte Fragen verschafft sich der Arzt dann wichtige Informationen, die über den richtigen Einsatz der sich anschließenden Untersuchungen entscheiden. Durch die Bewertung aller erhobenen Befunde wird letztlich die nachfolgende Behandlung entwickelt und mit dem Patienten besprochen.
Bei Fragen zur Krankheitsvorgeschichte wie dem Beginn der Erkrankung ist es besonders wichtig, vorausgegangene Operationen anzugeben. Beim Mann z. B. eine Operation an der Prostata, bei der Frau z. B. eine Gebärmutteroperation. Eine ganz wichtige Frage ist: Wann und unter welchen Bedingungen kommt es zu unkontrolliertem Harnverlust?
Die Form der Harninkontinenz ermittelt der Arzt über die Untersuchung der Organe der ableitenden Harnwege: Angefangen von der Niere über die Harnblase bis zur Harnröhre mit ihrer äußeren Öffnung.
Dabei werden die äußeren und inneren Geschlechtsorgane einbezogen sowie alle anderen Organe in der Nachbarschaft.
Nach der körperlichen Untersuchung können weitere Untersuchungen je nach Erfordernis folgen:
- die Blutuntersuchung ergänzt mit einer Blutzuckerbestimmung
- bei Männern die tastende Untersuchung durch den Enddarm zur Beurteilung
- z. B. der Prostata
- bei Frauen eine gynäkologische Untersuchung
- die Beurteilung des Urins
- eine Ultraschalluntersuchung
- die Blasendruckmessung
- Röntgenaufnahmen
- die Blasenspiegelung (Zystoskopie)
Für die verschiedenen Formen der Harninkontinenz stehen unterschiedliche Behandlungsarten zur Verfügung:
Belastungsinkontinenz
Bei gering ausgeprägter Belastungsinkontinenz kann die Beckenbodengymnastik unter entsprechender fachlicher Anleitung das Gewebe straffen und stärken. Durch diese krankengymnastische Behandlung wird auch der Harnröhrenverschlussmechanismus gekräftigt. Diese Übungen trainieren die willkürliche Kontrolle der Harnblase.
Bei stark ausgeprägter Belastungsinkontinenz, d. h. Harnverlust bereits bei einfachen Verrichtungen des täglichen Lebens, muss eine Kombination aus nicht-operativer und operativer Behandlung in Erwägung gezogen werden.
Dranginkontinenz
Neben dem Training der Harnblase mit gezieltem Einüben einer regelmäßigen Harnblasenentleerung ist bei einer Vielzahl von Patienten durch die Gabe von bestimmten Medikamenten eine Linderung und Heilung möglich. Diese Medikamente wirken auf das Nervensystem. Sie nehmen Einfluss auf die Spannung der Harnblasenmuskulatur. Die Wirkung tritt nach etwa vier bis sechs Wochen ein. Als alternative Behandlung steht die elektrische Reizung der Beckenbodenmuskulatur zur Verfügung. Auch hierbei kann ein halbes Jahr vergehen, bis ein Erfolg eintritt.
Reflexinkontinenz
Zur Verminderung des erhöhten Drucks in der Harnblase dient die regelmäßige Entleerung mit einem Katheter. Dies kann der Patient auch selbst erlernen.
Zusätzlich werden bestimmte Medikamente verabreicht, welche die Übererregbarkeit und Spannung der Harnblasenmuskulatur vermindern.
Neuere Möglichkeiten sind kontrollierte elektrische Reizungen der Harnblase durch ein Gerät, welches unter die Haut gepflanzt werden kann.
Die Überlaufinkontinenz
Hier wird ein operatives Vorgehen angestrebt, um dadurch die Entfernung des Hindernisses zu erreichen. Als Zwischenmaßnahme bis zur Operation wird die Harnblase durch einen Katheter - meist über die Bauchdecke eingeführt - entlastet.
Blasensenkung
Bei einer Blasensenkung hilft dauerhaft eine Operation. Das Gewebe direkt neben dem Übergang der Blase zur Harnröhre wird vom Bauchraum aus angehoben und oben in der straffen Bauchdecke verankert.